Einsamkeit und Massenpsychose: Spalten, um zu herrschen

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Aufstrebende totalitäre Herrscher handeln nach dem bewährten Prinzip „teile und herrsche“. In der heutigen Gesellschaft geht der Trend dahin, dass die Menschen zunehmend isoliert werden. Der normale soziale Austausch wird gezielt gestört. Wer sich einsam fühlt und keine starke Beziehung zu Freunden, Familienmitgliedern und Arbeitskollegen hat, ist wesentlich anfälliger einer sogenannten Massenpsychose anheim zu fallen. Lässt sich der Trend aufhalten?

Einsamkeit macht gefügig

Bei einer Massenpsychose handelt es sich um eine Epidemie des Wahnsinns. Sie tritt dort auf, wo große Teile einer Gesellschaft den Bezug zur Realität verlieren und sich Wahnvorstellungen hingeben.

Einsame Menschen sind aus zwei Gründen anfälliger, von einer Massenpsychose infiziert zu werden. Erstens verlieren sie den Kontakt zu positiven Vorbildern, die verzerrte Wahrnehmungen korrigieren könnten. Nicht jeder lässt sich von den Machenschaften der herrschenden Elite blenden. Menschen, die die Propaganda durchschauen, können anderen helfen, sich von dem mentalen Angriff zu befreien. Wer jedoch in die Isolation gedrängt wird, hat weniger Möglichkeiten, eine andere Perspektive einzunehmen als die staatlich vorgegebene.

Ein zweiter Grund dafür, dass Isolation die Wirkung eines kollektiven Wahns erhöht, ist, dass der einsame Mensch leichter auf neue Verhaltensweisen hin beeinflusst (konditioniert) werden kann. So gesehen ist der Mensch ähnlich manipulierbar wie sein “bester Freund”. Das war die bahnbrechende Entdeckung des russischen Physiologen Iwan Pawlow: Bei Hunden konnte der konditionierte Reflex am einfachsten in einem ruhigen Labor in Abwesenheit von störenden Reizen entwickelt werden. Wie auch jeder Tiertrainer aus eigener Erfahrung weiß, werden wilde Tiere durch Isolation und geduldige Wiederholung von Reizen gezähmt.

Einsame Personen lassen sich also durch Einschränkung der Wahrnehmung und gezielte Verhaltenskontrolle in den Wahn treiben.

Der Ruf nach einer neuen Ordnung

Genau diese Regeln werden von totalitären Herrschern befolgt, um eine Gesellschaft gefügig zu machen. Sie wissen, wie wichtig Isolation ist, um den Willen einer Bevölkerung zu brechen. Mit einer nicht enden wollenden Welle von Krisen werden die Menschen verwirrt, ängstlich und hoffnungslos. In diesem verletzlichen Zustand wird die Fähigkeit, einen kühlen Kopf zu bewahren, herabgesenkt. Um dem äußeren und inneren Chaos zu entkommen, sehnen sich die Menschen nach einer Rückkehr zu einer geordneten Welt. Damit ist die Stunde der Möchtegern-Herrscher geschlagen. Diese inszenieren sich jetzt als die großen Hoffnungsträger, um die Krisen zu lösen und eine neue Weltordnung anzubieten.

Die Sache hat aber einen Haken: Um wieder in Frieden und Sicherheit zu leben, müssen die Massen ihre Freiheit abgeben und die Kontrolle über ihr eigenes Leben an die neue Elite abtreten. Um die offiziellen Wahnvorstellungen als ihre eigenen anzunehmen, geben die Massen den Bezug zur Realität und das eigenständige Denken auf. Damit verlieren sie ihre Selbstständigkeit und ihr Verantwortungsbewusstsein. Sie fühlen sich nicht mehr für ihr eigenes Leben zuständig und werden endgültig zu gehorsamen Untertanen. Totalitarismus ist nur dort möglich, wo Menschen in diese Form der kollektiven Psychose herabsteigen. Genau so sind die totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts vorgegangen.

In einem totalitären System herrscht eine Atmosphäre des Schreckens vor. Alle gesellschaftlichen Kräfte konzentrieren sich auf einen projizierten „Feind,“ den es gemeinsam zu bekämpfen gilt. Häufig befindet sich dieser Feind in der Mitte der Gesellschaft. Das führt zur Aufstachelung des Mobs durch die Herrschenden. Die neue, totalitäre Ordnung ist pathologisch. Sie erzwingt strenge Konformität und verlangt von den Bürgern blinden Gehorsam, um einen imaginierten Feind auszumerzen.

Totalitäre Strukturen behindern zudem Spontaneität und Kreativität, die wesentlichen Faktoren für Innovation und Entwicklung. Die absolute Kontrolle wird durch willige Funktionäre ausgeübt – egal ob durch Wissenschaftler und Ärzte, Politiker und Bürokraten, oder durch einen Diktator. Das Ergebnis: wirtschaftliche Stagnation, Zerstörung des gesellschaftlichen Klimas und schließlich Massensterben aufgrund von Not oder systematischer Vernichtung.

Totalitarismus verhindern?

Die Welt steht heute vor einer wichtigen Frage: Können wir verhindern, dass unsere Gesellschaft erneut in den Totalitarismus abgleitet? Und wenn ja, wie?

Mehrere Optionen liegen in unserer Macht, um eine Gesellschaft im frühen Stadium der Massenpsychose aufzurütteln und zu heilen:

  1. Um eine verrückte Welt wieder in die Vernunft zu bringen, besteht der erste Schritt darin, unseren eigenen Geist zu ordnen. Wenn sich ein Mensch aus der fatalen Identität mit der Gruppenpsyche befreien kann, wird er andere inspirieren, es ihm gleich zu tun.
  2. Verbreiten Sie Informationen, die die Propaganda aufdecken und hinterfragen. Die Wahrheit ist mächtiger als die Unwahrheiten, die vom „System“ in die Welt gesetzt werden. Dieses System kann nur erfolgreich sein, wenn es ihm gelingt, den freien Informationsfluss zu verhindern.
  3. Humor und Spott sind die vielleicht effektivsten Waffen, um herangehende und Möchtegern-Herrscher zu demaskieren und zu delegitimieren.
  4. Der Aufbau von Parallelstrukturen. Diese Taktik wählte der Dissident und spätere Präsident der Tschechoslowakei Václav Havel. Eine Parallelstruktur ist jede Form von Organisation, Unternehmen oder Institution, die physisch innerhalb einer totalitären Gesellschaft existiert, aber moralisch außerhalb steht. In diesem Raum können Vernunft, Selbstbestimmung und ein anderes Leben möglich sein.

Um die Errichtung eines neuen Totalitarismus zu verhindern, ist das Handeln möglichst vieler Menschen entscheidend. So wie die herrschende Elite strategisch vorgeht, um ihre Macht zu erweitern, so ist auch eine aktive und konzentrierte Anstrengung freier Bürger notwendig, um Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu schützen.

Indem wir unsere Freiheit und Mündigkeit entschlossen verteidigen, erfüllen wir das Motto des großen Aufklärungsphilosophen Immanuel Kant: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

Bildquellen
Ryanniel Masucol, https://www.pexels.com/de-de/foto/natur-frau-wasser-gras-6505027/
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