Corona: Wie Dummheit und Angst die Gesellschaft spalten

  • Redaktion
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“Drei große Kräfte beherrschen die Welt: Dummheit, Angst und Gier.” Dieses Zitat wird Albert Einstein zugeschrieben. Interessanterweise handelt es sich hier nicht um eine physikalische, sondern um eine treffende psychologische Beschreibung des Menschen. Angst und Gier entsprechen den zwei Prinzipien des Bauchgefühls: Unlustvermeidung und Lustmaximierung. Dummheit hingegen ist die Weigerung, von seiner Vernunft Gebrauch zu machen. Diese drei menschlichen Eigenschaften haben „während Corona“ maßgeblich zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen.

Klugheit erfordert Training

Idealerweise setzt der Mensch seine Vernunft ein, um seine Bauchgefühle zu reflektieren und sie zu kontrollieren. Aber Klugheit ist eine Tugend. Sie erfordert Anstrengung und Training. Psychiater wissen, wie schwer sich Menschen im wirklichen Leben mit der Vernunft tun. Denn die Bauchgefühle sind halt doch oft sehr stark ausgeprägt.

Wenn dann auch noch eine gesellschaftliche Krise wie etwa COVID-19 hereinbricht, sind viele schlichtweg überfordert. So viele gegensätzliche Informationen kann ein Mensch nur schwer verarbeiten. Die Sache ist zu komplex. Die wenigsten von uns haben die Zeit oder die Kompetenz, alle wissenschaftlichen Publikationen zu sichten, zu ordnen und einzuschätzen, um sich eine informierte Meinung zu bilden.

Doch die Klugheit erlaubt uns, uns auch in komplexen Situationen zurechtzufinden. Denn sie gibt uns innere Ordnung und hilft uns, die richtigen Prioritäten zu setzen.

Spaltung

In den Jahren der Pandemie haben Angst und Gier die Vernunft in den Schatten gestellt. Es kam zu einer tiefen Spaltung der Gesellschaft. Auf der einen Seite waren die Gesundheitsapostel und auf der anderen Seite die Freiheitskämpfer. Interessanterweise waren beide von Angst getrieben. Die Gesundheitsapostel hatten verständlicherweise Angst, dass sie ihre Gesundheit verlieren könnten. Die Freiheitskämpfer befürchteten, dass ihnen die Freiheit geraubt wird.

Die Vernunft blieb dabei auf der Strecke. Sie ist grundsätzlich zwei gefährlichen Einflüssen ausgesetzt. Zum einem dem Bauch: Der ist sehr mächtig und sieht alles ganz klar: schwarz oder weiß, Freund oder Feind. Die andere Gefahr ist der Wille. Psychiater beobachten das tagtäglich, dass Patienten etwas Offensichtliches nicht wahrnehmen können, weil sie es nicht wahrnehmen wollen. Und da sind wir bei den radikalen Rändern – also den Gesundheits- und Freiheitsfanatikern. Diese können keine andere Sicht einnehmen, weil sie es nicht wollen. Sie sind bereits von ihrem eigenen Standpunkt so überzeugt, dass sie in ihrer Wahrnehmung blockiert sind. Sie sind nicht mehr auf der Suche, sondern wissen schon alles.

Echter Dialog statt Besserwisserei

Oft sind es die Fanatiker, die einfache Lösungen für eine extrem komplexe Welt haben. Ironischerweise wird dabei die Vernunft häufig geradezu vergöttert. In der Geschichte wurde die Vernunft schon einmal von Fanatikern und Besserwissern vereinnahmt. Das war die Zeit der Französischen Revolution, als am 10. November 1793 die Kathedrale Notre-Dame zum „Tempel der Vernunft“ umgewidmet wurde. Doch die Vernunft hängt in der Luft, wenn sie nicht am Boden der Wahrheit steht. Und dazu gehört der Wille, nach der Wahrheit zu suchen und sie zu sehen.

Nur mit der Wahrheit ist es halt so eine Sache. Es gibt eine objektive Wahrheit. Aber nicht beim Thema Corona. Bei Corona hat jeder einen bestimmten Blickwinkel und sieht nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit. Das Dilemma lösen wir nur, wenn wir aufeinander hören und miteinander ins Gespräch kommen. Aus rein psychologischer Sicht waren die monatelange Isolation der Menschen, das Maskentragen, die Schulsperrungen und die Lockdowns daher wenig sinnvoll. Der „virologische Imperativ“ lautete aber anders: Alle Menschen für zwei Wochen einsperren, dann ist der Virus weg.

Diese grundverschiedenen Sichtweisen können nur überbrückt werden, wenn wir demütig sind und miteinander reden. Masken haben – psychologisch betrachtet – die Kommunikation behindert. Ist Ihnen das schon mal aufgefallen? Wenn Menschen Masken tragen, vermeiden sie auch den Blickkontakt. Je jünger die Menschen sind, desto problematischer ist das – insbesondere bei Kindern.

Wohin die Angst-Rhetorik führt

Problematisch ist, dass Politiker Angst als Mittel zur Verhaltenskontrolle eingesetzt haben. Dabei haben Studien des amerikanischen CDC klar gezeigt, dass außer Alter und Diabetes, auch übertriebene Angst zu schwereren Krankheitsverläufen führte.  

Die Angst vor dem Virus führte außerdem häufig zum Phänomen der übertriebenen Hygiene. Diese erinnert sehr stark an die Symptome einer Zwangsneurose. Für einen Zwangsneurotiker gilt „sicher ist sicher“ und er zwingt andere, an seinem eigenen Wahn teilzuhaben und sich entsprechend zu verhalten. Dieser übertriebene Zwang zur Sicherheit erstickt aber das Leben.

Angst kann auch zu Aggression führen. Es wurde berichtet von Menschen, die maskenbefreit waren, aber in der U-Bahn verprügelt wurden. Biologisch ist das nachvollziehbar. Wenn ein anderer Mensch als Bedrohung wahrgenommen wird, dann gilt „fight or flight“, also kämpfen oder fliehen.

Was die Sache nicht besser gemacht hat, war, dass Andersdenkende in den Medien herabgewürdigt wurden. Und hier sehen wir den Mechanismus des Narzissten: Ich bin super, du bist ein Trottel. Ein Wort, das für den persönlichen Angriff verwendet wurde, war „Verschwörungstheoretiker“. Damit wurde dem Gegenüber abgesprochen ein seriöser Gesprächspartner zu sein. Diese Rhetorik blockierte die Kommunikation, förderte die Spaltung, und erhöhte das Aggressionspotenzial.

Gier

Es war erschreckend zu erfahren, wie viele Regierungsberater in Sachen Corona ein Naheverhältnis zur Pharmaindustrie pflegten. Es ist völlig legitim, dass ein Arzt oder Pharmaproduzent Geld machen möchte. Das Ganze kippt aber dann, wenn sich Politik und Medien nur auf eine Seite stellen und Kritik dämonisiert wird. Die Freiheitskämpfer wurden in ein denkbar schlechtes Licht gerückt, während die Gesundheitsfanatiker politisch normalisiert wurden – auch wenn sie noch so pathologisch waren.

Brücken bauen

Brücken bauen heißt, dem anderen auf Augenhöhe begegnen und das Menschliche an ihm wahrzunehmen. Dazu gehört auch, die Ängste des anderen zu akzeptieren. Echte Begegnung erfordert Demut und die Bereitschaft, seine eigene Wahrheit zu relativieren. Kein einziger Mensch kann alles wissen, auch nicht ein Arzt oder Wissenschaftler. Um die gesellschaftliche Spaltung zu überwinden und die Gräben zuzuschütten, müssen wir vor allem bereit sein, dem anderen verzeihen zu können.

Bildquellen
Joao Tzanno, https://unsplash.com/de/fotos/statuette-der-drei-weisen-affen-auf-baumstamm-bei-tag-1NacmxqfPZA<br />
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