Von Bauchgefühlen zur Weisheit des Herzens

  • Redaktion
  • ca. 3 Minuten Lesezeit

Teilen Sie diesen Artikel

Juhu, Schmetterlinge im Bauch! Und plötzlich dämmert’s: Man hat wohl den falschen Partner geheiratet… Bauchgefühle sind natürlich und wichtig. Aber sie können unserem Leben keine Werte oder Orientierung bieten. Trainieren Sie daher den Bauch – mit Kopf und Herz.

Hilfe, ich habe mich in den Falschen verliebt!

Folgender klassischer Fall kommt häufig in der psychotherapeutischen Beratung vor. Eine verheiratete Person schildert das Problem, dass sie sich in eine andere Person verliebt habe. „Ich habe keine Gefühle mehr für meinen Partner,“ beklagt der Klient oder die Klientin. In solchen Situationen sagt uns unser Bauchgefühl etwas anderes als unser Herz. Wie sollen wir zu solchen Gefühlen Stellung beziehen?

Unser Herz bestimmt, welche Werte wir vertreten und was für ein Mensch wir sein wollen. Es gibt unserem Leben Orientierung. Bauchgefühle hingegen sind wankelmütig. Sie kommen und gehen. Sie haben nicht immer Recht. Sie können sich leicht irren. Dennoch müssen Gefühle ernst genommen werden, denn oft haben sie eine Botschaft für uns.

Wenn ich mich also in den Nachbarn (oder die Nachbarin) verliebe, ist das kein Zeichen, dass ich sofort meinen Partner und meine Kinder verlassen muss. Wenn es zu meinen Werten gehört, dass ich zu meiner Familie stehe, dann bedeutet es vielleicht, dass ich den netten Nachbarn (oder die nette Nachbarin) einfach nicht mehr treffen sollte.

Hier geht’s zum RPP-Kanal auf YouTube.

Soll man auf Bauchgefühle hören?

Bauchgefühle sind nicht prinzipiell falsch oder böse. Sie sind sogar unheimlich nützlich. Aber sie müssen reflektiert werden. Im Drei-Instanzen-Modell von Dr. Bonelli hat der Bauch zwei Kontrollorgane. Die erste Kontrolle erfolgt durch den Kopf, also die Vernunft. Die zweite Kontrolle erfolgt über das Herz, also die grundsätzliche Werteorientierung eines Menschen. Wenn meine Bauchgefühle also vernünftig und gut sind, dann kann ich ihnen ruhig folgen. Wenn sie aber unvernünftig und sogar boshaft sind, dann ist es besser, wenn sie mein Handeln nicht bestimmen.

Der freie Mensch ist fähig, seine Bauchgefühle zu prägen. Das geht zwar nicht automatisch und auf Knopfdruck, aber mit der Zeit gelingt es. Es beginnt damit, dass ich Handlungen, die ich für gut und richtig halte, stetig wiederhole bis ich sie mir zu eigen gemacht habe. Dann kann ich die Ideale, die ich in meinem Herzen trage, vollständig verkörpern.

Um ein Beispiel zu geben: Auf der einen Seite gibt es notorische Lügner. Um Unlust zu vermeiden, lügen sie halt ab und zu ein bisschen. Denn wer die Wahrheit sagt, muss auch mit Konsequenzen rechnen. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die es sich zum Prinzip gemacht haben, grundsätzlich die Wahrheit zu sagen. Sie haben sich dieses Prinzip so sehr verinnerlicht, dass sie eine Abneigung gegenüber Unwahrheiten empfinden. Man kann sich also jede Form von Haltung selbst erarbeiten.

Den Bauch trainieren – mit Hirn und Herz

Um seine Bauchgefühle optimal zu trainieren, ist es wichtig zu klären, was ich als gut und richtig erachte. Was sind meine Ideale? Wo will ich als Mensch hin? Wenn ich weiß, dass es richtig ist, die Wahrheit zu sagen, aber merke, dass ich in diesem Punkt Probleme habe und ein notorischer Lügner bin, dann kann ich beginnen, konkret an mir zu arbeiten.

Ein Fallbeispiel: Eine Klientin kommt in die Therapiesitzung mit folgendem Problem. Sie hat enorme Konzentrationsstörungen und kann nicht mehr richtig denken. In der zweiten Stunde erzählt sie, ihre Schwester habe ihr einen gemeinen Brief geschrieben und sie als Lügnerin beschimpft. Total empört erklärt sie, sie habe mit ihrer Schwester daraufhin gebrochen und möchte nichts mehr mit ihr zu tun haben. Nachdem sie aber mit der Frage konfrontiert wurde, was denn an diesem Brief wahr sein könnte, gab sie nach zwei Stunden zu, dass jedes Wort in dem Brief stimmte. Sie erkannte also, dass sie tatsächlich eine notorische Lügnerin war.

Die Klientin offenbarte diese neue, aber unbequeme Erkenntnis ihrer besten Freundin. Daraufhin erwiderte die Freundin: „Das habe ich schon lange gewusst! Komm her, lass dich drücken. Ich freue mich, dass du es endlich erkannt hast.“ Daraufhin begann die Klientin in ihrer Umgebung eine Wahrheitsoffensive und hörte mit dem Lügen auf. Innerhalb von einem Monat beendete sie die Therapie. Die Konzentrationsstörungen seien komplett verschwunden. Sie müsse jetzt nicht bei jedem Satz überlegen, wer wen kennt und wer weiß was, damit die Lüge nicht auffliegt. Der Heilungsprozess begann also mit der bisher verdrängten Erkenntnis über ihre Gewohnheit und mit dem Entschluss, von nun an konsequent ehrlich zu sein.

Überlassen Sie Ihr Leben nicht Ihrem Bauch. Aktivieren Sie Hirn und Herz. Reflektieren Sie die Impulse des Bauches und orientieren Sie sich an der Weisheit Ihres Herzens.

Bildquellen
Privat.
Folgen Sie dem RPP Institut auf Telegram und YouTube