Der typische Narzisst: Alles kreist nur um ihn!

  • Redaktion
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Die „Fähigkeit zum Du“ ist ein wichtiger Schlüssel zu einem geglückten Leben. Eine echte Beziehung erfordert, dass man ein Stück über sich selbst hinausgeht. Man muss auf den Anderen zugehen können. Doch häufig steht man seinem eigenen Glück im Weg, weil man ständig nur um sich selbst kreist. Die extreme Form der Selbst-Sucht nennt sich Narzissmus.

Die drei Ebenen des Narzissmus

Der Narzissmus hat drei Ebenen. Zunächst ist da die Selbstidealisierung. Das bedeutet, dass ein Mensch sich selbst und seine Talente überhöht wahrnimmt. Zugleich verdrängt er aber seine Fehler. Die Steigerung der Selbstidealisierung ist die Selbstverliebtheit. Das ist, was der Psychiater gleich als erstes wahrnimmt. Da sitzt z. B. ein Patient auf der Couch und erzählt ganz begeistert von sich selbst. So wie ein frisch Verliebter von seiner neuen Freundin erzählt. Er prahlt über sein tolles Auto, seine vielen Aktien, sein Haus und seine Freundin usw.

Die zweite Ebene des Narzissmus ist die Fremdabwertung. Das heißt, alle anderen sind einem unterlegen. Andere haben nur insofern einen Wert, wenn sie mit dem Narzissten in einer Beziehung stehen. Sie sind aber stets von seinen Gnaden abhängig.

Die dritte Ebene betrifft die Selbstimmanenz. Das ist das Gegenteil von Selbsttranszendenz, also die Fähigkeit, das Wahre, Schöne und Gute zu sehen und zu verehren. Der Narzisst hingegen kniet vor nichts und niemandem nieder, außer sich selbst. Ihn interessiert nichts, was über ihn selbst hinausgeht. Selbstimmanenz bedeutet, dass der Mensch in sich selbst gefangen ist. 

Der Einfluss des Umfelds

Jeder hat narzisstische Züge in seiner Persönlichkeit. Diese können jedoch durch das äußere Umfeld zusätzlich gestärkt werden.

Das eigentliche vulnerable Alter ist die frühe Pubertät, also zwischen 12 und 16 Jahren, wenn die Eltern ein Kind extrem bewundern und loben. Vor allem, wenn die Mutter das Söhnchen über den Vater stellt, kann die Tür für den Narzissmus weit geöffnet werden.

Oft tritt eine narzisstische Persönlichkeitsstörung bei Personen auf, die mit sich selbst noch nicht ganz fertig sind. Der klassische Fall sind Profi-Fußballer, die mit 21 Jahren plötzlich berühmt und bewundert werden. In dem Alter kann es schwierig sein, mit dem ganzen Ruhm zurecht zu kommen. Wem der Erfolg zu Kopf steigt, kann leicht in den Narzissmus stürzen.

Eine ähnliche Dynamik sieht man bei Oligarchen. Viele mächtige Unternehmer lassen sich nur noch von Ja-Sagern umgeben. Unterwürfige Angestellte bewundern ihren Chef aus Angst, gekündigt zu werden. Wenn der Chef ein Narzisst ist, fordert er unbedingte Zustimmung und duldet keinen Widerspruch. Am Anfang mag es sich gut anfühlen, von allen geschmeichelt zu werden. Aber das Ganze ist eine aufgeblasene Show. Früher oder später kann sie platzen.   

Narzissmus und Hochmut

Es ist typisch, dass sich ein Narzisst niemals selbst als Narzissten sieht. Daher ist es wichtig, sich bewusst zu werden, dass wir alle verborgene, narzisstische Anteile in unserer Persönlichkeit haben. Im philosophischen und religiösen Kontext wurde Narzissmus als „Hochmut“ bezeichnet. Auf dem spirituellen Weg ist Hochmut das größte Hindernis.

In allen großen Traditionen, im Buddhismus wie auch in den monotheistischen Religionen, gibt es klare Ermahnungen gegen Hochmut. Bei diesem Laster handelt es sich um die Erhebung des eigenen Selbst über den Rest der Schöpfung. Wer sich selbst über alle andere erhebt, möchte sich nicht in das Weltganze einordnen, sondern er stellt sein Ego in den Mittelpunkt. Im Grunde möchte er sein wie Gott.

Narzissmus und Hochmut laufen auf dieselbe psychologische Dynamik hinaus. Narzissten sind von ihrer eigenen Wichtigkeit überzeugt. Sie möchten nur mit angesehenen Persönlichkeiten und Institutionen zu tun haben, die ihrer würdig sind. Andere können ihnen nicht das Wasser reichen.

Das Gegenteil von Narzissmus

Das Gegenteil von Narzissmus und Hochmut ist die Demut. Sie ist eine unheimlich attraktive Eigenschaft, die im Denken unseres heutigen Zeitgeistes völlig untergeht. Demut bedeutet nicht, sich selbst klein zu machen oder gar sich selbst zu erniedrigen. Demut heißt vielmehr, sich selbst so zu sehen, wie es der Wirklichkeit entspricht.

Nur der demütige Mensch ist nicht kränkbar. Wenn Sie einen Demütigen kritisieren dann wird er die Kritik nicht übel nehmen. Er nimmt sie vielmehr zum Anlass, an sich selbst zu arbeiten. Wenn man ihm z. B. sagt, dass sein letzter Vortrag nicht besonders gut war, kann er das annehmen. Er weiß, dass sein vorletzter Vortrag umso besser war. Er wird sich daher auch auf seine positiven Fähigkeiten besinnen. Der Demütige kann sowohl seine Stärken als auch seine Schwächen realistisch einschätzen.  

Der demütige Mensch ist offen für die Wahrheit. Der Narzisst hingegen explodiert bei der kleinsten Kritik. Dementsprechend hilft es in der Regel wenig, einem Narzissten vorzuschlagen, mal ein bisschen demütiger zu sein. Es kann aber zu einer realistischeren Selbsteinschätzung beitragen, sich einmal vorzustellen, wie nahestehende Personen einen wahrnehmen. Zu versuchen, die Sicht eines anderen einzunehmen, ist schon ein erster Schritt, um vom Um-sich-selbst-kreisen wegzukommen.

Bildquellen
Maria Orlova, https://www.pexels.com/de-de/foto/natur-frau-lila-pflanze-4946594/
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