Wie narzisstische Kollektive unsere Werte verdrehen

  • Redaktion
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Ein zentrales Merkmal des Narzissmus ist die Idealisierung des Selbst und die Abwertung anderer. Nicht nur Individuen, sondern auch organisierte Gruppen können sich narzisstisch verhalten. Narzisstische Kollektive schieben Pseudo-Werte vor, um menschenverachtende Ziele anzustreben. Unser Gewissen kann uns vor der Verdrehung der Werte schützen.

Auch die Mafia hat Familienwerte

Familienwerte sind an sich eine gute Sache. Wer den Film Der Pate gesehen hat, weiß, dass Familienwerte auch für die sizilianische Mafia heilig sind. Das Problem bei den Mafiosi ist nur, dass sie die eigene Familie über alles stellen. Loyalität gegenüber dem „Paten“ ist ihr höchstes Gebot. Um den Wohlstand der eigenen Angehörigen zu sichern, ist es daher legitim, zu erpressen, zu betrügen oder gar zu morden. Wenn der scheinbar gute Zweck alle Mittel heiligt, verlieren höhere Werte ihre Wirksamkeit. Die eigene Gruppe wird idealisiert, während Rivalen und Verräter vernichtet werden müssen.

Macht um jeden Preis

Der mafiose Familien-Narzissmus funktioniert auch auf staatlicher Ebene. Unter „Machiavellismus“ versteht man die politische Theorie, nach der zur Sicherung der Macht jedes Mittel erlaubt sei – unabhängig von Recht und Moral. Der Begriff geht zurück auf Niccolò Machiavelli, dem italienischen Staatsphilosophen, der im frühen 16. Jahrhundert wirkte. In seinem Buch Il Principe (Der Fürst) erklärte Machiavelli, ein erfolgreicher Fürst müsse geizig, listig und brutal sein. Er müsse ohne Skrupel tun, was notwendig ist, um sein Ziel – die Erhaltung der eigenen Macht – zu erreichen.

Heute ist der Machiavellismus so aktuell wie vor 400 Jahren. Zu viele Politiker und Journalisten erlauben sich, Sachverhalte zu verdrehen oder falsch darzustellen, um das Volk in Angst zu versetzen und vorgeblich zu seinem eigenen Wohle umzuerziehen. Damit rechtfertigt ein sekundärer Wert (z. B. Machterhaltung), dass ein primärer Wert (z. B. wahrheitsgemäße Rede) ausgelöscht wird. Wenn eine geschlossene Gruppe – von Klimaklebern über Fake-News-Verbreiter bis hin zu Kriegstreibern – ihre eigene Weltanschauung als universale Wahrheit propagiert, führt das unweigerlich zur Ächtung von Kritikern im Namen der Wahrheit.

Propaganda als Mittel narzisstischer Kollektive

Rechte und linke Ideologen haben Machiavellis Prinzipien der Macht zutiefst verinnerlicht. Ein historisches Beispiel für ein narzisstisches Kollektiv, das nach Machiavellis Drehbuch spielte, ist die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED). Mit großer Selbstverständlichkeit fälschte sie Wahlergebnisse und Wirtschaftszahlen. Sie täuschte Demokratie vor, obwohl Diktatur herrschte – alles zum Wohle des Volkes. Sie bezeichnete die hochgerüstete DDR als den „ersten Friedensstaat auf deutschem Boden“, Sie zwang das Volk, die Mauer, die ihm die Freiheit raubte, einen „antifaschistischen Schutzwall“ zu nennen. „Faschisten“ – so nannten sie die Menschen im freien Westen. All diese Lügen und Verdrehungen dienten in der DDR als Mittel, um die sozialistische Weltrevolution zu realisieren.

Die Nationalsozialisten waren nicht weniger verlogen. Die Posner Rede des SS-Reichsführers und Reichsinnenministers Heinrich Himmler vom 4. Oktober 1943 ist ein Paradebeispiel dafür, wie staatliche Propaganda erstrebenswerte Tugenden verdrehen kann. Mit inbrünstigem Pathos beschrieb Himmler die Ausrottung des jüdischen Volkes als tugendhafte Handlung, die Durchhaltevermögen und Härte erfordere. Der Genozid an sechs Millionen Juden wurde auf diese Weise umgelogen zur notwendigen und mutigen Selbstverteidigung des deutschen Volkes. Mit beispiellosem Zynismus wurde das Opfer zum Täter gemacht.

Unser Schutz gegen Pseudo-Werte

Die menschenverachtenden Ideologien des 20. Jahrhunderts haben gezeigt, wie Werte eingesetzt werden, um grausamste Verbrechen zu rechtfertigen, ja zu idealisieren. Die SED und das Nazi-Regime gehören zum Glück der Vergangenheit an. Doch die Natur des Menschen hat sich seither wenig verändert. Wachsamkeit ist daher angesagt.

Propaganda setzt typischerweise Pseudo-Werte ein. Es handelt sich dabei um „echte“ Werte, die aber in verlogener Weise vorgeschoben werden, um Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu legitimieren. Das Böse ist der Vater der Lüge und gibt vor, klug, gut und schön zu sein. Es schmückt sich mit einer Aura der Tugendhaftigkeit. Über geschickt platzierte Pseudo-Werte lassen sich die Massen verführen.  

Werte können nicht an sich „böse“ sein. Sie bilden aber eine hierarchische Ordnung. Ein Herz, das die zentralen und höchsten Werte immer wieder verletzt, verroht zunehmend bis es auch alle anderen Werte verloren hat. Der böse Mensch fühlt sich innerlich leer, nicht weil er falsche Werte besitzt, sondern weil seine Wertehierarchie in Unordnung geraten ist.

Ein inneres Korrektiv signalisiert uns, wenn wir gegen unsere höchsten Werte verstoßen. Dieses nennt sich Gewissen. Das Gewissen gestattet uns, unsere innere Ordnung zu wahren. Es liegt an uns, ihm unser Gehör zu schenken.

Bildquellen
DLiesch, https://pixabay.com/de/photos/karl-marx-lebenswertes-chemnitz-3937348/
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