Schöne neue Welt? Wissenschaft als Instrument der Macht

  • Redaktion
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Die „große Erzählung“ der westlichen Welt lautet: Vernunft, Wissenschaft und Technik werden uns frei machen. Doch warum wirkt der heutige Zeitgeist so leer und hoffnungslos? Die Politik lässt immer weniger Spielraum für bürgerliche Mitgestaltung. Sie ist zu beschäftigt mit dem Management der jeweils aktuellen Krise. Terror, Klima, Pandemie und Krieg rechtfertigen immer mehr Zensur und Kontrolle. Der belgische Psychologe Mattias Desmet meint, dass an der „großen Erzählung“ etwas nicht ganz stimmen kann. Und das hat psychologische Auswirkungen.

Propaganda statt Aufklärung

Die Philosophen der Aufklärung sahen für die Menschheit eine blendende Zukunft voraus: Frei von Aberglauben und Fremdbestimmung, werde eine neue Gesellschaft entstehen. Diese solle auf Freiheit, Vernunft und dem Streben nach Wahrheit gründen.

Diese Hoffnung hat sich leider nicht erfüllt. Die herrschenden Eliten unserer heutigen Zeit setzen nicht auf Mündigkeit, sondern auf Propaganda und Kontrolle. Ohne die Verführung der Massen, könnten sie ihre Macht kaum aufrechterhalten. Nie zuvor waren die Menschen so empfänglich für die manipulativen Erzählungen der Massenmedien wie heute. Bereitwillig schenken sie selbst den seltsamsten Berichten ihr volles Vertrauen.

Massenformation

Der belgische Psychiater Mattias Desmet bezeichnete diese Entwicklung als Massenformation. In seinem Buch The Psychology of Totalitarianism (2022) schreibt Desmet: “Massenformation ist im Grunde eine Art Gruppenhypnose, die das ethische Bewusstsein des Einzelnen zersetzt und ihm die Fähigkeit zum kritischen Denken raubt. Dieser Prozess ist von Natur aus heimtückisch. Die Bevölkerung fällt ihm ahnungslos zum Opfer.“

Die Hypnose der Massen geschieht durch den einseitigen Fokus auf bestimmte Themen. Krisen sind besonders geeignet. Eine dauerhafte Krisenstimmung führt zu Angst. Und ängstliche Menschen lassen sich leichter beeinflussen und kontrollieren. In einem System der totalen Kontrolle haben Menschen ihre Autonomie verloren und können ihr volles Potenzial nicht erfüllen.

Das Versagen der „großen Erzählung“ unserer Gesellschaft

Besonders anfällig für Massenformation sind Menschen, die einsam und isoliert leben. Etwa ein Fünftel der deutschen Bevölkerung lebt allein. Dieser Trend der Vereinsamung nimmt seit 2012 deutlich zu. Menschen, die nicht in stabilen Beziehungen und Gemeinschaften eingebunden sind, schließen sich leichter der Masse an.

Vereinsamung und Entfremdung sind nicht nur eine Nebenwirkung der technisierten Kommunikation. Sie sind ein direktes Resultat des mechanistischen Weltbildes, das den Menschen als nichts weiteres als eine biologische Maschine betrachtet. Das mechanistische Weltbild sieht sich durch den Aufstieg der Naturwissenschaften, der Medizin und der digitalen Technologie bestätigt. Doch die psychologischen, ethischen und spirituellen Dimensionen des Menschen haben hierin keinen Platz.

Diese eingeschränkte Sicht auf den Menschen hat jedoch eine verheerende Auswirkung auf zwischenmenschliche Beziehungen. Wo der Mensch nur noch „funktionieren“ muss, geht der Wert von Beziehungen verloren. Er wird, so die Philosophin Hannah Arendt, verfügbar als Baustein eines totalitären Staates.

Der Aufstieg des dritten Totalitarismus

Die großen Totalitarismen des 20. Jahrhunderts waren der Nationalsozialismus und der Kommunismus. Heute bezeugen wir den Aufstieg eines neuen, technokratischen Totalitarismus. Seine zugrundeliegende Ideologie ist der Transhumanismus, die Überwindung des Menschen mithilfe von künstlicher Intelligenz, Gentechnik und Biopolitik. Wie die älteren Totalitarismen gründet er auf einem teuflischen Pakt zwischen einer machtbesessenen Elite und den vereinsamten Massen.

Immanuel Kant forderte den Menschen auf, von seinem eigenen Verstand Gebrauch zu machen. Heute sind wir aber weit von seinem Ideal der Aufklärung entfernt. Der technokratische Totalitarismus ist kein Zufall. Er ist die direkte Folge wahnhaften Glaubens an die Allmacht des menschlichen Verstandes und des mechanistischen Weltbildes. So gesehen, verdreht der neue Totalitarismus das Erbe der Aufklärung. Im Namen von Vernunft und Wissenschaft wurde der ideale Bürger des totalitären Staates herangezogen. Arendt bezeichnete ihn als bloßen Untertan, der nicht zwischen Realität und Fiktion unterscheiden kann.

Der neue Totalitarismus verherrlicht die Wissenschaft, verabscheut aber die Tatsachen. Er fordert den blinden Glauben an Zahlen und Statistiken, die wissenschaftlich erscheinen mögen. Aber allzu oft sind sie rein fiktiv. Sie werden inszeniert, um die totalitäre Macht zu stützen.

Zeit für ein neues Weltbild?

Wie können wir uns gegen die aufstrebende Technokratie wehren? Desmet betrachtet parrhesia, die freie und aufrichtige Rede, als Teil der Lösung. Aufklärung und Wissenschaft entstanden aus dem Kampf gegen Engstirnigkeit und Dogmatismus. Heute ist die Wissenschaft aber selbst zum Glaubenssystem geworden. Sie wird als ideologisches Instrument benutzt, um die Massen zu täuschen, Andersdenkende auszugrenzen und die Macht einiger weniger zu sichern.

Wahre Wissenschaft ist freie und ergebnisoffene Forschung. Aber sie anerkennt auch die Grenzen des Wissbaren . Die Wissenschaft selbst kann uns kein ganzheitliches Weltbild liefern, das uns erklärt, wer wir sind und wie wir zusammenleben sollen. Gute Wissenschaft bringt Wissen hervor, beansprucht aber nie die letztgültige Wahrheit.

Der Mensch ist mehr als nur Materie. Und er ist mehr als ein Atom in einer Maschine namens Gesellschaft. Nicht in der Wissenschaft, sondern in unserem Herzen finden wir die Orientierung für unser Leben und unsere Beziehungen.

Bildquellen
Pixaby, https://www.pexels.com/de-de/foto/weisse-babymaus-159483/
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